Diakonweihe - Offen und optimistisch
Was für eine Ausbildung habt ihr bisher durchlaufen?
Lukas Weissensteiner: Als ich ins Priesterseminar eingetreten bin, war das Vorbereitungsjahr vor dem Studium noch österreichweit in Horn (NÖ). Inzwischen wird es parallel zum Studium absolviert. Im Seminar lebt man in einer geistlichen Gemeinschaft. Wir beten gemeinsam, feiern Gottesdienste, haben Studientage, spirituelle Ausbildung und ähnliches mehr. Außerdem studieren wir „Fachtheologie“ an der Universität. Dann folgt ein Praktium in einem Seelsorgeraum, und nach der Diakonweihe das Diakonatsjahr. Bei manchen, so wie bei uns, können Diakonatsjahr und Pastoralpraktikum zusammenfallen.
Thomas Lang: In unserer Ausbildung sind wir aber nicht nur „unter uns“. Wir sind viel im Austausch mit den anderen Theologiestudierenden, im Priesterseminar wird Gastfreundlichkeit großgeschrieben, alle Studierenden sind zu unseren Gottesdiensten eingeladen etc. Und in der Hausgemeinschaft leben auch Gastpriester aus anderen Ländern, geistliche Schwestern und andere Studierende.
Was an eurer Ausbildung hat euch besonders begeistert, was war herausfordernd, und gab es Überraschungen?
Lang: Ich hatte schon vor meinem Eintritt ins Priesterseminar den Großteil des Theologiestudiums absolviert. Ich kannte also das Haus und die Leute. Ich habe mich gleich in den ersten Wochen so gefühlt, als wäre ich immer schon da gewesen. Besondere Freude hatte ich daran, mich dort zu vertiefen, wo ich schon sehr beheimatet war: in der Liturgie.
Weissensteiner: Mich hat im Laufe der Ausbildung das Theologiestudium immer mehr begeistert. Das hat dazu geführt, dass ich in einem Fach, nämlich in den neutestamentlichen Bibelwissenschaften, ein Doktorat gemacht habe.
Lang: Überraschend war für mich, dass die Vorstellung, man geht ins Priesterseminar, ist dort in gewisser Weise „eingeschnürt“ und darf nichts, nicht zutrifft. Ich habe schnell gemerkt, dass man auch Raum bekommt, Dinge auszuprobieren.
Weissensteiner: Eine Herausforderung ist natürlich das Leben in Gemeinschaft. Man ist auf „engem“ Raum zusammen, auch wenn das Seminar ein großes Gebäude ist. Da kann es schon auch zu Konflikten kommen, wobei ich es derzeit als sehr geschwisterlich empfinde.
Eine angenehme Überraschung erlebe ich jedes Jahr: Wir haben in der Woche vor Weihnachten unsere Jahresexerzitien. Da möchte man eigentlich noch Freunde treffen, Erledigungen machen, und die Vorfreude auf die Exerzitien hält sich in Grenzen. Jedes Mal überrascht es mich positiv, wie sehr ich die Tage dann doch genieße.
Wenn ihr vorausblickt auf den Dienst in der Seelsorge – zuerst als Diakon und dann als Priester –, fühlt ihr euch gut vorbereitet?
Weissensteiner: Ich arbeite schon seit Ostern im SR Graz-Südost, wo ich nun mein Praktikum beginne. Und ich war schnell mit einer Herausforderung konfrontiert: Begräbnisse leiten und Trauergespräche führen. Das war ein Sprung ins kalte Wasser und ich dachte mir: Na, darauf bist du aber nicht vorbereitet. Doch es hat sich als unglaubliches Lernfeld herausgestellt. Ich weiß, dass in Zukunft noch mehr auf mich zukommt, was man in der Theorie nicht lernen kann. Da muss man sich auf die Situation einlassen.
Lang: Wir haben Ritus-Unterricht, wo wir Taufen, Trauungen etc. üben und mit Hilfe von Videos auch analysieren, wie wir uns verbessern können. Da gibt es viel Unterstützung. Aber in der konkreten Situation – z. B. bei einem Trauergespräch – hilft es mir wohl nicht, zu überlegen, was ich theoretisch gelernt habe. Da hoffe ich, möglichst gut für den Menschen, der vor mir sitzt, da sein zu können.
Wenn ihr zurückblickt: Wie seid ihr in die Kirche hineingewachsen, wie habt ihr eure Berufung entdeckt und wahrgenommen?
Lang: Ich bin über meine Familie in die Kirche hineingewachsen, habe vom Ministranten aufwärts eine „Pfarr-Karriere“ durchgemacht und später ganz viel in verschiedensten Bereichen der Pfarre mitgearbeitet – eigentlich war mein Leben außerhalb der Schule die Pfarre. Den Wunsch, Priester zu werden, habe ich schon als Kind gespürt. Nach der Schule war klar, dass ich Theologie studieren werde. Das Priesterseminar habe ich noch ein wenig vor mir hergeschoben. Irgendwann kam dann der Moment – nachdem ich ein Jahr mit mir gerungen habe –, dass ich einen Termin mit dem Regens, dem Leiter des Priesterseminars, ausmachte. Der hat mich dann einfach gefragt: „Was spricht dagegen, dass du kommst?“ Und meine Antwort war: „Ja, eigentlich … nichts“ (lacht).
Weissensteiner: Wir haben beide als Kind Pfarrer gespielt (lacht). Mein Weg war ähnlich. Meine Eltern sind in der Pfarre sehr aktiv. Mein Papa ist Religionslehrer. In meiner Jugend war ich in mehreren Pfarren als Organist tätig. Da war es am Sonntag keine Frage, ob ich mit zur Messe gehe oder nicht. Wenn ich dann einen Sonntag frei hatte und nicht zur Messe „musste“, merkte ich, es fehlt was.
Prägend war auch meine Zeit im Bischöflichen Seminar. Bis dahin kannte ich nur einen Priester und dachte: So muss ich auch sein, wenn ich Priester werden will. In Graz habe ich dann die unterschiedlichsten Typen von Priestern erlebt und gemerkt, dass ich „ich“ bleiben und trotzdem Priester werden kann – das war eine riesige Erleichterung.
Es ist viel im Umbruch in Kirche, Gesellschaft und der Welt. Es ist zu erwarten, dass sich Kirche in den nächsten 20 bis 30 Jahren stark verändern wird. Wie fühlt es sich an, diesen Schritt zu gehen in die Ungewissheit hinein? Habt ihr Vorstellungen, wie Kirche sein wird?
Lang: Ich glaube, man darf sich da keine festen Vorstellungen machen. Das, was zählt, ist, sich auf das einzulassen, was kommt! Und vor allem Vertrauen haben, dass es dennoch gut sein wird.
Weissensteiner: Es wird sicher spannend und herausfordernd, aber ich möchte mutig und zuversichtlich in die Zukunft gehen. Man darf nicht alle Veränderungen negativ sehen. Kirche wird ihren Platz in der Gesellschaft neu definieren und finden müssen, und darin liegen sehr viele Chancen.
Machen euch die rückläufigen Priesterzahlen Sorgen?
Weissensteiner: Ich hoffe nicht, dass wir alleine übrigbleiben (lacht). Aber man kann mit Blick in andere Länder sagen, dass es auch mit weniger Priestern funktioniert. Daraus können wir lernen, dass nicht alles vom Priester abhängig sein muss.
Lang: Je größer die Räume werden, desto mehr zerreißt es einen zwischen den Pfarren. Da muss man gut auf sich achten, wo man präsent sein muss und kann.
Weissensteiner: Und die Strukturveränderungen können mithelfen, dass wir gemeinschaftlicher arbeiten und nicht jeder für sich allein.
Wie seht ihr das Verhältnis von Priestern und nicht geweihten TheologInnen?
Weissensteiner: Ich hoffe auf ein kollegiales Miteinander – ich bin nicht so der
Hierarchie-Typ. Ich glaube, dass wir zusammenarbeiten müssen – egal in welchem Bereich.
Lang: Ich habe ein gutes Miteinander unter allen Theologiestudierenden erlebt und bin zuversichtlich, dass sich das so weiterführen lässt.
Ein Blick in die nähere Zukunft: Was liegt jetzt vor euch?
Weissensteiner: Erster Punkt: eine Woche Exerzitien im Stift Rein. Als geistliche Vorbereitung auf die Weihe.
Lang: Ich habe gerade mein Praktikum im SR Graz-Ost gestartet. Es folgen noch einige Vorstellungsgottesdienste und das Lernen vieler Namen – ich bitte jetzt schon um Hilfe dabei! (lacht) Und ich freue mich auf den baldigen Umzug, um ganz im SR anzukommen. Wir wollen im kommenden Jahr den Blick auf unsere diakonalen Aufgaben legen: Wo gibt es ältere, kranke Menschen, Pflegeheime – und dorthin Kontakte pflegen, für die Menschen da sein …
Weissensteiner: Oder die Pfarrcaritas kennenlernen. Der diakonale Dienst ist etwas, das man mit der Priesterweihe nicht ablegen sollte. Darum wollen wir die kommende Zeit auch besonders nutzen, eine diakonale Haltung einzuüben.
Interview: Katharina Grager und Alfred Jokesch