Hauskapelle - Leechgasse
Buchstäbliche Verdeutlichung
Zu Leo Zogmayers Umgestaltung der KHG-Hauskapelle
In den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts haben Richard Gratl und Peter Thurner die Kapelle im Haus der Katholischen Hochschulgemeinde als Ort gestaltet, der sich eine ambivalente Beziehung zu seinem alltäglichen Umfeld inmitten eines Studentenwohnheimes erlaubt. Seriell erzeugte, nicht weiter verfeinerte Betontrogwände schotten ihn bunkerartig vom Leben ringsum ab, ein darüber liegendes Fensterband wiederum öffnet ihn (bautechnisch bedingt auf nur drei Seiten) zu den umlaufenden Gängen, lässt Licht von dort her eindringen. Keine Stufen sind zu überwinden, um die Kapelle zu betreten, gleichwohl fungiert eine schwere Betontür als Schwelle zwischen innen und außen. Dass diese merklich aus der Wandmitte gerückt ist, tilgt den letzten Rest möglicher Achsialität des an sich schon richtungslosen Raumes. Damit erfüllt die Kapelle die Vorgaben einer abgeschlankten, auf hierarchisierendes Vokabular und repräsentative Ornamentik gänzlich verzichtenden Moderne (als deren kirchliche Entsprechung das Zweite Vatikanum anzusehen ist), steht für den Versuch, das Heilige zu schützen und es dennoch so nah wie möglich an die Lebenspraxis heranzuführen.
Die von Leo Zogmayer nun dezent vorgenommenen Eingriffe in die Raumgestaltung der Kapelle deuten deren Ikonologie noch präziser aus.
Den Eingang hat Zogmayer mit einer Aluminiumplatte versehen, auf welcher "if you celebrate it" steht. Die Worte nehmen auf John Cage Bezug, der auf eine Frage des Musiktheoretikers Heinz-Klaus Metzgers mit ihnen den Unterschied zwischen bloß alltäglichen und künstlerischen Handlungsabläufen gerade am Beispiel des Öffnens einer Restauranttür erklärt hat. Jetzt stehen sie gewissermaßen zwischen liturgischem und rein kulinarischem Brotbrechen, stellen dem Zutritt zur Kapelle einen Vorbehalt entgegen, der die Differenz von Profan und Sakral buchstäblich virulent hält.
Den Altar der Kapelle hat Zogmayer wieder ins Zentrum gerückt. Ein im Grundriss kreuzförmiger Unterbau aus dünnen, geräucherten Eichenholzlatten trägt eine quadratische, den Grundriss des Raumes aufgreifende Glasplatte. Auf ihr sind gerade und gekurvte Linien gezeichnet, die sich - aus unterschiedlichen Richtungen kommend - teilweise im Zentrum treffen, teils vor ihm enden, an ihm vorbeiführen oder Kreissegmente bilden, woraus sich eine recht komplexe grafische Struktur ergibt, die optisch gewissermaßen die Richtungslosigkeit des Raumes aufzugreifen scheint und sich wohl auch als Visualisierung je individueller Bezüge zum liturgischen Geschehen begreifen lässt. Erst allmählich wird das Liniengeflecht als übereinander gezeichnetes Alphabet ersichtlich, womit die materielle Grundlage einer Verkündigung abgebildet wird, deren Inhalt - wiederum buchstäblich - auf die ganze Bandbreite zwischen dem Alpha und dem Omega beziehbar ist.
Schließlich hat Zogmayer auch der oben nicht geöffneten Wand eine Glasscheibe vorgeblendet, der auf blauem Grund ein geometrisches, netzartiges Muster eingeschrieben ist. So steht der Öffnung zum Profanen ein Ausblick gegenüber, der in seiner Unbestimmbarkeit die Unergründlichkeit berührt, welche vom Sakralen ausstrahlt.
Ulrich Tragatschnig