Heribert Friedl "Das Verweilen im Transit. Die Erinnerung freilegen"
Während eine Klanginstallation im ältesten Grazer Kirchraum, der über einer vorchristlichen Grabstätte errichtet ist, zur künstlerischen Meditation von Vergänglichkeit, Tod und Ewigkeit einlädt, wird eine Duft-Installation in der Galerie erst durch Reiben an der Wand vollendet, gleichzeitig aber auch zerstört. Fast nichts ist sichtbar, aber einiges sichtbar gemacht.
"Der Grossteil meiner Arbeit besteht aus raumbezogenen Installationen bzw. flüchtigen Architekturen, die sich mit dem Begriff des nonvisualobjects (ein Begriff, den ich seit 1996 für meine Arbeit verwende) auseinandersetzen – Duftstoffe als Inhaltsträger. Die Rezeption meiner Arbeit passiert über die olfaktorische Wahrnehmung. Visuelle Momente werden so weit wie möglich ausgespart. Das Ergebnis jedoch ist immer eine visuelle Wahrnehmung – ein imaginäres Bild. Jeder hat doch schon des Öfteren die Erinnerung über nicht visuelle Phänomene zu sich geholt. Immer wieder passiert es, wenn man meint: „Das riecht doch so wie damals bei meiner Oma zuhause, in der Schule, im Krankenhaus, auf dem Ferienlager …„ Das könnte man jetzt bis ins Unendliche weiterspinnen. Diese unterschiedlichsten damit verbundenen Geschichten werden plötzlich Teil der Arbeit." Heribert Friedl
"Es ist für mich eine Herausforderung in einem Umfeld zu agieren, das eigentlich, meiner Meinung nach, fast keine Interaktion mehr zulässt. Der Innenraum der Leechkirche ist für mich fast zu sensibel um einen visuellen Eingriff zu machen. Daher kommt für mich nur eine sehr reduktive Klanginstallation in Frage. Eine Klanginstallation, welche sich vor allem auf die Geschichte der Kirche bezieht, auf den Hügel, der bereits im 9. Jhdt eine Begräbnisstätte war. Meine Installation in der Leechkirche entwickelt eine Arbeit weiter, die ich 2004 im Karner im Stift St. Lambrecht realisiert habe. Das Ticken einer Uhr als Symbol der Vergänglichkeit. Dieses immer wiederkehrende Ticken ist auch als Symbol der Unendlichkeit zu verstehen. Das Leben ist mit dem Tod nicht abgeschlossen. Das Ticken geht weiter und weiter. Für diese Überlegungen scheint mir der Ort sehr passend zu sein. Ein kleiner Teil der Ewigkeit wird nun durch diese temporäre Sound-Installation herausgehoben. Der frühe Mensch unterschied nicht zuerst heute und morgen, Gegenwart und Zukunft, sondern unterschiedliche Orte im Raum: Erde und Himmel, Irdisches und Himmlisches. Das erste „Zeitmaß“ war die Sonne, im Mittelalter wurde der Tag in sogenannte Temporalstunden eingeteilt (es lagen zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang jeweils zwölf Stunden). Im 14. Jahrhundert kamen dann die Uhren mit Räderwerk. Heute ist der Tag zerteilt, zerschnitten. Alles, was Dauer hat, dauert zu lange und was Zeit beansprucht, beansprucht zu viel Zeit. Aber Zeit ist Leben. Der Klang selbst ist ein generierter Klang, der nicht immer als Ticken einer Uhr wahrgenommen werden kann. Durch Interferenzen und das sich wieder Einpendeln auf die 60 Sekunden Schläge des Ruhepulses hin – wird nicht nur auf das irdischen Leben, dem Lebensrhythmus, sondern durch das Looping der Audioinformation auch auf keinen Anfang und kein Ende hingewiesen. Grundsätzlich ist mein Arbeiten ein Ausklinken aus dem visuellen und auditiven Overflow unserer Zeit. Täglich werden wir von Information unterschiedlichster Art überflutet. So weit wie möglich möchte ich den Ballast beiseiteschieben um die Essenz freizulegen. Das ist für mich zur Überlebensstrategie geworden und auch ein wesentlicher Bestandteil meiner Arbeit. Die formale bzw. visuelle Manifestation ist daher in vielen Fällen kaum bis gar nicht sichtbar, bzw. wahrnehmbar. Aber gerade hier wird auch der Rezipient gefordert sich auf die Arbeit einzulassen, ohne gleich von der vermeintlichen Stille bzw. Nichtvisualität irritiert zu sein. Man muss auf die Arbeit „zugehen“ – sie springt einen nicht an. Mag dies vielleicht in der heutigen Zeit etwas anachronistisch erscheinen, keine „Eye-Catcher“ zu produzieren, bzw. die Gegenwart mit gleichen Mitteln zu reflektieren, so ist es aber bei genauerer „Betrachtung“ ein Wunsch bzw. eine Sehnsucht von Vielen, sich auf diese „Interpretation“ der Jetztzeit einzulassen." Heribert Friedl