Michi Maier "Peccata Mortifera"

"Noch nie war die eigene Schuld am Versagen so erdrückend schwer wie heute," konstatiert der Grazer Künstler Michi Maier und arbeitet sich an der dogmatischen Formel der Sieben Todsünden ab, die in den letzten Jahren wohl nicht zufällig im Kino und in der Unterhaltungsindustrie zu ungekannter Präsenz gelangte. Als "Substrat der Sünde" wollen seine monumentale Skulptur bei der Leechkirche neben einem keltischen Grabhügel und die vom KHG-Foyer Besitz ergreifenden Bilder in schriller Formen- und Materialsprache nicht nur an Vergangenes gemahnen, sondern Gegenwärtiges zur Sprache bringen. Eine Ausstellung in der KHG-Galerie und im Garten bei der Leechkirche, Zinzendorfgasse 3.
Die Ausstellung ist Teil des Kooperationsprojektes "emerging___" mit der GrazAG und wird von der Grazer Bestattung unterstützt.
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Mit der unermesslichen Flut an Freiheitsangeboten konfrontiert, quält der Mensch sich durch ein ewiges Entscheiden. Die vollkommene Verfügungsgewalt über das zu sehende und das zu essende kippt uns hinein in einen Allmachtsglauben. Eine Miniwelt tut sich auf, beherrscht von einem Diktator. Macht über alle Regungen des Körpers und der Seele wird zu einer Pflicht. Diese Überlebenspflicht bringt uns alles und jeden zu hinterfragen. Eine Prüfung auf das eigene Wohlergehen vollzieht sich permanent aus der Sorge um sich. Niemand ist sicher und Hilfe wird nicht erwartet. Noch nie war die eigene Schuld am Versagen so erdrückend schwer wie heute. Ohne jede Bindung und jeden Halt an einer übergeordneten Stelle wird das unsere Leben zu einer ständigen Mutprobe. Vordergründig sind Sünden lächerlich. Religion ist eine Folkloreveranstaltung mit einem willentlich übergelassenen Rest an Demut vor ihrer Tradition. Die sieben Sünden verlangen eine Selbstzähmung von uns. Das schlechte Gewissen ist eine unersättliche Bestie. In neuen Mäntelchen kommen die psycho-technischen Instrumente auf uns zu. Nicht dass, es eine Todsünde wäre, aber zuviel Fressen ist aus vernünftigen Gründen nicht gut für dich. Das Märchen vom jüngsten Gericht wird zu einem selbstverschuldeten Übergewicht, zu einem selbstverschuldeten ungustiösen Erscheinungsbild oder zu einer selbstverschuldeten höheren Lebensversicherungsrate. In seiner sterilen Kälte ist die Hölle auf Erden heute realer als jede Erzählung vom Fegefeuer. Alle Verhaltensweisen würden sich den Weg als Krankheit in uns bahnen. Nichts bleibt verborgen. Am Konto der Gesundheit müssen wir ständig einzahlen. Der letztlich Tod kommt auch nicht in einer gleichen Qualität auf uns zu. Die Belohnung für die Beachtung der Sünden ist ein agiles, fittes und sorgenfreies Sterben. Unser Aberglaube an die Überwindung des Todes lässt uns brav und gezähmt werden. Schrille Bilder von Krankheit und Tod, dem Wahnsinn und der Raserei bekommen nicht unserem säure-basisch ausgeglichenen Magen. Der komplizierten Welt die von uns bürokratischen Wesen beheimatet ist, will sich eine zum Untergang geweihte Urkraft entgegensetzen. Das Derbe und Überladene, das Schrille und Aufgetragene bekommt einen Ausdruck. Wie sehr unsere aufgeblasenen Egos sich darin sehen wollen sei dahingestellt. Keine Veränderung durch Kunst. Sie steht so sehr für sich allein, dass unsere Urheberschaft angezweifelt werden sollte. Die sieben Sünden, ja noch einmal. In meiner Unvermessenheit zugunsten der Kunst kündige ich von einer Pracht und Herrlichkeit. Diese wird die Bilder beherrschen. Für eine Zeit lang werden sie als Sündentöter eine Kirche formen. Die abgemühten Skulpturen kommen gleich Grabwächtern zu einem semi-realen Auftrag. Als Verbindungswesen zwischen den untergegangenen Kulturen fungieren sie als schrille Augenweide. Das Substrat der Sünde lebt fort. Der Versuchung Erlegene gleich werden die Werke ihre eigene Sprache hervorrufen.
Michi Maier