Christian KRI Kammerhofer "IrReal"
Christian Kammerhofer lockt die BetrachterInnen in eine Kunstwelt, in der – bewusster als in der Realität - „nicht die Thatsachen, sondern die Meinungen, welche wir über Thatsachen haben" (Alexander von Humboldt), entscheiden. Seine Filme und Assemblagen alltäglicher Materialien oder Abfallprodukte verweisen spielerisch auf subkutane Sinnzusammenhänge und generieren ohne Zeigefinger gesellschaftspolitische Handlungsimpulse.
Zwei Hände ganz unterschiedlicher Realitätsebenen berühren sich im Video hAnd: Die eine taucht auf dem Monitor aus einem undefinierbaren Farbraum auf und nähert sich der Bildschirmoberfläche, die andere kommt ihr aus der Richtung der filmenden Kamera entgegen. Durch üppige Farbigkeit und begleitende Musik hat der Künstler der Sequenz eine stark emotionale Komponente eingepflanzt. Diese wie auch andere Arbeiten des Künstlers sind nicht nur Auseinandersetzung mit verschiedenen Realitätsebenen und der Frage wie wirklich denn unsere Wirklichkeit ist, sondern die suggestiven Bilder vermögen auch menschliche Ursehnsüchte nach Berührung und Beziehung jenseits oberflächlichen Smalltalks und vorgefertigter Konventionen hochkommen zu lassen, die den wesentlichsten Impuls unseres Handelns darstellen.
Die Werke Christian KRI Kammerhofers fordern die subjektive Wahrnehmung und Vorstellungskraft der RezipientInnen, und somit liegt es beim Publikum, wie groß das zweite „R“ im Ausstellungsnamen wirklich ist. Ganz nach dem Motto: „Wenn eine Situation real erscheint, sind auch die Konsequenzen real“ (W. I. Thomas).
Ein Bild, ein Tisch, ein Zahn-CT und eine Plastikblase – KRI schafft Altäre, die vom Profanen in die Komplexität seiner Persönlichkeit führen. Diese greifen durch die waagrechte Konzeption aus der Wand in den Raum ein. Die Betrachtenden werden durch das Heraustreten in die hinterste Schicht, die „Himmelsmalerei“, gezogen. Dabei legt KRI den Schwerpunkt auf die Blase – inspiriert durch Gottfried Helnweins Grafiken oder Bands wie die Einstürzenden Neubauten und Blumfeld („Den Schleim, den ich ausspie, wollte ich nie …“) scheint es, als wollte KRI einen (seinen?) profanen Leidens-Altar zur Schau stellen.
Doch nicht seine Wandskulpturen lassen Interpretationen ihren Freiraum – auch gibt es in der Ausstellung Werke aus essbaren Materialien: Baguette, Brot, Semmeln und Knäckebrot verwertet KRI in seiner Kunst. Wie an der Fotografie oberhalb des Textes zu sehen, konzipierte er eine Kamera auf einem Stativ stehend aus Knäckebrot. Die medienreflexive Abbildung der Skulptur verweist auf den Witz in Christian Kammerhofers Werken.
Weitere Arbeiten aus Alltagsmaterialien, wie Schaumstoff, Plastikflaschen und Bücher, wurden raffiniert zu Skulpturen geformt und erwarten die irRealen Interpretationen der BesucherInnen.
Gerlinde Schiestl